Schulgeschichte

Alles selber machen: Oberlehrer Karl Pfaffenberger

Die Zwanziger Jahre waren angeblich die „Goldenen Zwanziger“: So überdauern sie im Rückblick mancher Erinnerungen und so erstanden sie später in aufwändig ausgestatteten Filmen, die den vorgeblichen Glamour dieser Zeit wiedergeben sollten.

In Wirklichkeit waren es für die meisten Deutschen Jahre der Entbehrung und oft auch der Düsternis, und diese Erfahrungen waren dann auch für den Aufstieg des Nationalsozialismus mitverantwortlich. Es profitierten zwar einige Deutsche vom weltweiten wirtschaftlichen Aufschwung zwischen 1924 und 1929, aber 1918 war der Krieg verloren, Millionen Menschen waren tot, der Alltag wurde von den Kriegsinvaliden geprägt. Die Inflation vernichtete dann zahllose Existenzgrundlagen, schließlich brach 1929 die Weltwirtschaftskrise aus. Arbeits- und Hoffnungslosigkeit prägten das Leben vieler Menschen, die gesellschaftliche und politische Atmosphäre wurde immer vergifteter.

In Bayreuth war der Glanz der Höheren Töchterschule, wie er noch in der Kaiserzeit bestanden haben mochte, verblasst. Wegen der widrigen Zeitumstände konnte 1917 das fünfzigjährige Jubiläum der Schulgründung nicht mehr groß gefeiert werden. 1918 grassierte die Spanische Grippe auch in Bayreuth und verstärkte noch das allgemeine Elend am Kriegsende. Die Schule musste für zwei Wochen geschlossen werden. Die Stadt gab sich zwar alle Mühe und begann sogar 1918 mit der Installation der elektrischen Beleuchtung im Schulgebäude, die alten Gaslampen wurden abgehängt. Aber 1921 mussten dann auch die ersten zehn Stipendien (d. h. Beihilfen) für „bedürftige und würdige Schülerinnen“ vergeben werden. Für aufwändige Anschaffungen und große Neuerungen war kein Geld vorhanden: Die erhaltenen Photos aus jeder Zeit zeigen, dass die Einrichtungen und Unterrichtsmittel der Vorkriegszeit weiterhin benutzt werden mussten.

In diesen Mangeljahren schlug die Stunde von Karl Pfaffenberger. Sein Name wird erstmals im Jahresbericht 1918/1919 verzeichnet, er wurde als „Volksschullehrer“ geführt und unterrichtete „Deutsche Sprache, Erdkunde, Rechnen, Naturkunde, Schreiben“. Im Jahresbericht 1919/1920 wird er als „Hauptlehrer“ verzeichnet, vermutlich war es eine amtliche Umbenennung. Im letzten gedruckten Jahresbericht vor dem Zweiten Weltkrieg von 1937/1938 ist er „Oberstudienlehrer“, der seit 1919 „Mathematik, Erdkunde, Naturkunde“ unterricht. Im Schuljahr 1946/1947 befand er sich dann im Ruhestand.

Der junge Lehrer Pfaffenberger im Naturkunde-Unterricht, 1920

Diese dürren dienstlichen Titel machen aber in keiner Weise deutlich, welche Aufgaben Karl Pfaffenberger in Wirklichkeit an der Schule hatte und die er auch mit großem Erfolg und zur allgemeinen Bewunderung ausführte. In den Jahren des Mangels nach 1918 waren sein Einfallsreichtum und sein handwerkliches Geschick für die Schule unverzichtbar. Vermutlich braucht jede Schule damals wie heute Lehrer und Lehrerinnen wie Karl Pfaffenberger, aber sein Können und sein Einsatz müssen unvergleichlich gewesen sein. Wo immer es etwas im Haus zu richten und zu reparieren gab und der Hausmeister nicht mehr weiterwusste: Lehrer Pfaffenberger stand mit seinem Werkzeugkasten bereit.

Seit 1919 war er jedoch in erster Linie Lehrer für Naturkunde, und so richtete er sein Augenmerk natürlich auf die Ausstattung der Schule mit Unterrichtsmaterialien für die naturwissenschaftlichen Fächer. Dabei kamen ihm später auch familiäre Beziehungen zugute: Sein Schwiegersohn stand im Dienst der Standard-Oil-Company, war in Peru und Bolivien tätig und sammelte ethnographische Gegenstände, Petrefakten und Entomologisches. Manche seiner Funde und Erwerbungen gab er an seinen Schwiegervater weiter, der sie seinerseits der Schule zur Verfügung stellte. Pfaffenberger betrieb auf diese Weise systematisch den Ausbau der naturwissenschaftlichen Sammlungen. Eines der öffentlichkeitswirksamen Prunkstücke war beispielsweise der „Schul-Dachs“, ein stattliches Tier, das nach seiner Erlegung liebevoll ausgestopft und lebensecht auf ein Ausstellungsbrett montiert wurde. Bis heute kann der kapitale Dachs im Schulmuseum bewundert werden.

Der Schul-Dachs

Sein weiterer Beitrag für die Ausstattung der Schule war die Gründung einer Mineraliensammlung und eine Zusammenstellung von Petrefakten („Petrefekten“, so Pfaffenberger).

Petrefakt. Sammlung Pfaffenberger, RWG

Für das Fach Biologie legte Karl Pfaffenberger ein umfangreiches Herbarium an. Das Botanisieren war damals eine beliebte Freizeitbeschäftigung von Naturliebhabern, und Pfaffenberger stellte das auch von ihm gepflegte Hobby selbstlos in den Dienst der Schule. Noch immer befinden sich im Schularchiv Mappen, in denen seine getrockneten Blumen und Kräuter aufbewahrt sind.

Aber nicht nur das Abgeblühte und Versteinerte interessierte den Hauptlehrer. Er legte auch mit bescheidenen Mitteln einen Schulgarten an, den er natürlich eigenhändig pflegte. Und dieser Garten wurde dann in den warmen Monaten zu einem Treffpunkt vor allem der jüngeren Schülerinnen: Man durfte Herrn Pfaffenberger am Nachmittag in seinem Garten und in seiner Werkstatt besuchen, lernte allerlei über Pflanzen und Tiere und konnte ihm bei den Arbeiten zur Hand gehen. Es versteht sich, dass Pfaffenberger an den Wandertagen mit seinen Klassen ausführliche Exkursionen in die Umgebung von Bayreuth unternahm und die Zeit für naturkundliche Studien genutzt wurde. Berühmt wurden auch die Sonntagsausflüge mit dem Lehrer: Wer Zeit und Interesse hatte, konnte sich am Sonntagmorgen am Bahnhof einfinden und an einer Zugfahrt in die Fränkische Schweiz teilnehmen. Dort wurde dann ausgiebig botanisiert. Zu diesem Zweck mussten sich die Schülerinnen bei „Hannes“, einem Stahlwarengeschäft in der Ludwigstraße, ein einfaches „Botanisierbesteck“ anschaffen, um die entdeckten Pflanzen fachmännisch untersuchen und präparieren zu können. Bei den Ausflügen wurde mittags stilvoll „abgekocht“, in einem Blechtopf wurden Erbsensuppe und Würstchen zubereitet. Pfaffenberger selbst veröffentlichte 1928 in der Reihe „Bayreuther Land“ einen Sonderdruck, in dem er die geschützten Pflanzen im Bayreuther Umland vorstellte.

Botanisierbesteck. Sammlung Pfaffenberger, RWG

Ausflug mit Lehrer Paffenberger zum Buchstein, 1930/1931

Heft einer Schülerin mit einer Blattsammlung. Biologieunterricht bei Lehrer Pfaffenberger, 1932

Karl Paffenberger, Geschützte Pflanzen der Bayreuther Heimat. Bayreuth 1928

Bei einem weiteren Publikum, auch außerhalb der Schule, wurde der Lehrer zudem durch das schuleigene Puppentheater bekannt. 1920 wurde es eingerichtet und gelangte bald weithin zu Ansehen. Pfaffenberger war daran nicht unwesentlich beteiligt: Handwerklich überaus versiert zimmerte er die Bühne, modellierte die Puppen, die dann von den Lehrerinnen und Schülerinnen kostümiert wurden, und er stattete schließlich die Aufführungen mit den miniaturistischen, oft überaus aufwändigen Requisiten aus.

Aufnahme einer Aufführung des Puppentheaters. Auch der Miniatur-Flügel wurde von Paffenberger gezimmert.

Das letzte und wahrhaft bleibende Verdienst Paffenbergers war jedoch die Bewahrung der Sammlungen des Mädchengymnasiums am Ende des Zweiten Weltkriegs. Am 14. April 1945 besetzten amerikanische Truppen die Stadt beschlagnahmten das zum Glück unbeschädigte Schulhaus. Allerdings wurde es offenbar nicht weiter bewacht. In der Stadt muss bisweilen Anarchie geherrscht haben, es kam zu Plünderungen. Als Pfaffenberger zu Ohren kam, dass auch aus dem Schulgebäude Gegenstände entwendet wurden, vor allem auch Wertvolles aus den naturwissenschaftlichen Sammlungen und wichtige Unterlagen, startete er umgehend eine Rettungsaktion. In einem Schreiben an den Oberbürgermeister der Stadt vom 1. Juni 1945, das dieser an den „Herrn Militär-Gouverneur“ weiterleiten sollte, bat er, der zu dieser Zeit stellvertretender Schulleiter war, darum, dass er mit seiner Sekretärin die unersetzlichen Dinge bergen und in Gewahrsam nehmen durfte. Das Vorhaben gelang: Das Gerettete, darunter die naturkundlichen Unterrichtsmaterialien und die Dokumente, werden noch immer an der Schule verwahrt.

Pfaffenbergers Schreiben an den Oberbürgermeister und an den amerikanischen Militär-Gouverneur, Juni 1945

Das Bild wäre unvollständig, falls nicht erwähnt würde, dass Oberstudienlehrer Pfaffenberger auch ein sportsman war. Als Schlittschuh-Läufer war er Winter auf dem zugeforenen Röhrensee aktiv. Moderne Sportkleidung lehnte er ab, er drehte stilvoll-herrschaftlich im grauen Anzug seine Runden.

Lehrer Pfaffenberger am Ende seiner Dienstzeit

Oberstudienlehrer Pfaffenberger starb schließlich so, wie ein Biologielehrer scheiden muss: Der pensionierte, leider schon schwerhörige Mann wurde im Wald von einem Gewitter überrascht. Vermutlich hörte er nicht mehr, dass ein Blitz in einen Baum einschlug, und er wurde von einem herabstürzenden Ast verewigt. Zur Erinnerung an ihn ist hier das Gebet wiedergegeben, das er, ein frommer Mann, zu Beginn des Schultags in seiner Klasse aufsagen ließ. Er hielt auf diese Gewohnheit auch in den finsteren Jahren nach 1933, als man dies gar nicht mehr gerne sah und hörte:

Gib du mir Gott auch heute,
Dass mich dein Auge leite.
Dein Wort mein Herze rühre,
Und deine Hand mich führe.

Mein Lernen lass gelingen
Und Gutes mich vollbringen.
Auf dass ich deinen Namen
Durch meine Werke lobe. Amen.

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