Schulgeschichte

„…eine Unmenge geistiger und handwerklicher Arbeit“: Das Puppentheater der Schule 1920 bis 1939

Puppen-, Marionetten-, Handstab-, Drahtfiguren- und Fingerpuppentheater: Das war seit der Jahrhundertwende 1900 ein Trend der Zeit, denn man experimentierte mit neuen bzw. alten Bühnenformen, und dazu gehörte wieder das schon lange bekannte und noch von Goethe hoch gelobte Puppentheater. In den zwanziger Jahren rief man dann auch die Schulen zur Förderung des Puppenspiels auf, vom man sich nicht zu Unrecht besondere Anregungen für Kreativität und Phantasie erhoffte.

So fand an der Schule schon 1920 ein Puppenspiel im Rahmen einer Theateraufführung statt. Schulleiter Pauli fand Gefallen an dem Spiel und förderte es nach Kräften, da er schnell bemerkte, dass sich die Schülerinnen mitsamt ihren Eltern mit viel Hingabe bei den Aufführungen einbrachten. Zudem konnte er feststellen, dass das Puppentheater der Schule schnell öffentliche Beachtung fand: Die Presse berichtete und sogar Prominenz wurde in das Schulhaus gelockt. Ab 1927 wurde daher an der Schule ein ständiges Puppentheater etabliert, dessen Aufführungen meist am Faschingsdienstag stattfanden – denn schulfrei gab es an diesem Tag noch nicht, andererseits wollte man offenbar nicht nur den Unterricht abhalten.

Das alles wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht drei tatkräftige Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung gestanden hätten, die die Puppen dann auch tanzen ließen. Der vielseitig begabte Oberlehrer Karl Pfaffenberger (1918-1945 an der Schule) gründete nicht nur die biologische Sammlung der Schule und versorgte den Schulgarten, sondern modellierte auch die Puppen aus Pappmaché und bemalte sie. Angeregt wurde er dabei von den Puppen der damals weithin bekannten Hohensteiner Bühne. Pfaffenberger übernahm auch die Installation und den Betrieb der Bühnentechnik.

Photographie einer Aufführung des ständigen Puppenttheaters der Schule, hier ein Bühnenbild mit einer „altdeutschen“ Wohlstube

Die Kunsterzieherin Elisabeth Thiermann (1923 bis 1956 an der Schule) unterstützte Paffenberger und sorgte für die Ausstattung, die Kulissen und sonstige Requisiten. Die Sprachenlehrerin Dirlinger (1919 bis 1945 an der Schule tätig) übte die Texte ein. Die Handarbeitslehrerinnen und die Schülerinnen und wohl auch ihre Mütter nähten die Kostüme. So entstand im Teamwork seit 1920 jede der Aufführungen.

Photographie einer Aufführung mit der Puppe „Klampferl“ am Flügel, die unverkennbar Franz Liszt nachgebildet ist.

Vor allem aber brachte Professor Carl Kittel seine Fähigkeiten ein, der von 1920 bis 1939 an der Schule wirkte. Er war nicht nur ihr Musiklehrer, sondern auch langjähriger Chorleiter im Festspielhaus. Er übernahm den musikalischen Part der Aufführungen, textete und machte die Stücke für die Schülerinnen aufführbar.

Prof. Karl Kittel

Daher hatten die Spiele nun nichts mehr mit „Kindertheater“ zu tun. So bearbeitete und inszenierte Kittel neben vielen anderen Stücken dann 1929 Szenen aus Siegfried Wagners Märchenoper „An allem ist Hütchen schuld“. Das Plakat der Aufführung ist erhalten, die Inszenierung war wohl der Höhepunkt aller Puppenspiele an der Schule. Anlass für das Spektakel war der 60. Geburtstag von Siegfried Wagner im Jahr 1929, der persönlich mit seiner Familie das Spiel besuchte. 1934 und 1939 wurde das Theater zum Gedenken an den inzwischen verstorbenen Komponisten wiederholt.

Plakat für das Puppenspiel 1929 zu Ehren des 60. Geburtstags von Siegfried Wagner

Die Presse war des Lobes voll. Das „Bayreuther Tagblatt“ rezensierte am 11. Juni 1929:

Man war begeistert von der Art, in der sich das Spiel vollzog, und muß restlos Anerkennung für die schöne künstlerische Gestaltung und Durchführung des Puppenspiels zollen.

Am 17. Mai 1934 meldete das „Frankische Volk“:

Alles wirkte so leicht und lebendig, daß man als unbefangener Zuschauer kaum etwas von der Arbeit und den Mühen ahnte, die nötig waren, diesen reizende Aufführung zustande zu bringen. Und doch steckte in dem kleinen Werk eine Unmenge geistiger und handwerklicher Arbeit. (…) Nicht zuletzt sei der Schauspielerinnen gedacht, die so geschickt die Puppen führten und den kleinen Wesen ihre klaren Stimmen verliehen.

Im Dritten Reich missbrauchten die Nazis wie so vieles sogar das Puppentheater. Ein „Reichsinstitut für Puppenspiel“ regte nun an, politische Stücke aufzuführen, in denen die „Feinde“ des Reiches wie ein fetter „John Bull“ oder ein hakennasiger „Jude“ ihr Spiel treiben sollten. Puppen und Stücke dieser Art finden sich zum Glück nicht im Archiv der Schule, man blieb beim hergebrachten liebenswürdigen Repertoire.

Nach 1945 endete dann die Tradition des Puppenspiels an der Schule. Zwar bericht der Jahresbericht 1949/1950 noch, dass man am Faschingsdienstag ein Stück „Die Prinzessin und der Schweinerüssel“ inszenierte, aber eine neue Aufführungspraxis entwickelte sich nicht mehr.

Alles wäre wohl sanft in Vergessenheit geraten, wäre nicht im Jahr 2005 bei Aufräumarbeiten im Archiv ein alter brauner Lederkoffer geöffnet worden, der zur allgemeinen Überraschung fast 20 Puppen des Puppentheaters der Schule aus den Jahren von 1920 bis 1939 enthielt. Bei den meisten Puppen hatte sogar die Kostüme dem Zahn der Zeit bzw. der Motten getrotzt!

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