Schulgeschichte

Hunger – auch nach Bildung: Schulhefte der Nachkriegszeit

Das Jahr 1945 und die folgenden Nachkriegsjahre: Sie werden in den Geschichtsbüchern oft als Jahre der Zerstörung, der Trauer und der Verzweiflung beschrieben. Die Zeitgenossen erinnern sich aber auch, dass es Jahre des Aufbruchs und eines geistigen Aufschwungs waren. Es waren zwar Jahre der Not und des Hungers, aber der Krieg und die Barbarei waren vorbei, es gab wieder eine Zukunft, neue Eindrücke und neue Erkenntnisse waren möglich.

Freilich waren die äußeren materiellen Bedingungen überaus bescheiden. In dem ausgeplünderten Schulhaus saßen hungrige Schülerinnen und ebenso hungrige Lehrer. Im Winter kam die Kälte, es gab kein Brennmaterial. Besonders schmerzhaft für eine Schule war zudem der totale Mangel an Unterrichtsmitteln: Papier war rar und neues Papier war von der schlechtesten Qualität. Bücher waren nicht mehr vorhanden oder sie konnten wegen ihres NS-Inhalts nicht mehr benutzt werden. An moderne „multimediale“ Unterrichtsverfahren mitsamt ihrem technischen Aufwand war nicht zu denken.

So musste aus der Not eine Tugend gemacht werden und die Unterrichtsmittel mussten gleichsam selbst hergestellt werden. Im Archiv und im Schulmuseum finden sich daher zahlreiche Hefte und Dokumente, die mit bewundernswerter Akribie angelegt und ausgeführt wurden. Die wenigen noch vorhandenen Bücher und Karten sowie die von den Lehrern auf den Wandtafeln ausgeführten Texte und Zeichnungen wurden sorgfältig auf das schlechte Papier der Nachkriegshefte übertragen. Diese Hefte waren dann die einzigen Unterlagen für das tägliche Lernen und die Prüfungsvorbereitungen. Heute, im Zeitalter der Kopier- und elektronischen Projektionsgeräte, ist dieses eigenhändige Anfertigen, das in Fächern wie Mathematik, Erdkunde oder Biologie manchmal geradezu künstlerischen Rang erreichte, nicht mehr vorstellbar.

Ob die neuen Unterrichtsmittel einen größeren Unterrichtserfolg garantieren, ist umstritten. Man kann auch an einen Grundsatz von Studiendirektor Ingobert Schulz erinnern, einem früheren Lehrer am Richard-Wagner-Gymnasium für Biologie, Chemie und Erdkunde, den dieser den jungen Lehrern eintrichterte:

Wenn Sie einem Schüler etwas von einer Blume erzählen, hat er es nach einer Stunde vergessen. Wenn Sie ihm ein Bild von einer Blume zeigen, hat er es nach einem Tag vergessen. Wenn er die Blume in sein Heft zeichnen muss, dann vergisst er sie sein ganzes Leben lang nicht.

Die folgende Abbildung stammt aus dem Mathematikheft von Susilore Eichmüller, geb. Strauss. Der Eintrag und die Zeichnungen entstanden im Jahr 1947. Der Mathematikunterricht widmete sich hier im Rahmen des Themas „Himmelskunde“ speziell der Kugelgeometrie, die in diesem Jahr Teil des Abiturwissens in Mathematik war. Frau Eichmüller legte 1947 dann auch die Abiturprüfung ab. Heute wird dieses Stoffgebiet nicht mehr in dieser Form unterrichtet.

Mathematikheft von Susilore Eichmüller 1947

Die nächste Abbildung kommt aus dem Biologieheft (Blätter, geheftet mit Schnüren) von Eveline Wierer, Abitur 1953, hier Klasse 4b/5b. Eveline wurde später eine bekannte Töpfermeisterin in Thurnau.

Biologieheft Eveline Wierer

Zwei Seiten aus dem Erdkundeheft (sic!) von Christel Schleicher, Klasse 6m, Schuljahr 1950/1951:

Erdkundeheft Christel Schleicher

Drei Seiten aus einem Biologie-Heft der Klasse 1a (5. Klasse), nach 1945

Biologieheft Klasse 1a, nach 1945, Blatt 1

Biologieheft Klasse 1a, nach 1945, Blatt 2

Biologieheft Klasse 1a, nach 1945, Blatt 3

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