Schulgeschichte

„Gold gab ich für Eisen“: Die höheren Töchter ziehen in den Krieg

Die zweite (6.) Klasse im Kriegsschuljahr 1916/1917

Am 1. August 1914 brach schließlich nach langen Wochen der Ungewissheit der Krieg aus. Später wurde er der „Weltkrieg“ genannt, noch später musste er dann als „Erster Weltkrieg“ verbucht werden.
Die aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbare Kriegsbegeisterung und die Euphorie des „Augusterlebnisses“ erfassten auch Bayreuth und die Lehrer- und Schülerschaft der Höheren Mädchenschule. Man wollte nicht abseits stehen und sich auch am patriotischen Heldenkampf beteiligen. So hatte es auch Kaiser Wilhelm II. am 6. August in Berlin verkündet:

So muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! Zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande.

Die Schülerinnen konnten freilich nicht mit dem Säbel rasseln, ein Auszug „ins Feld“ war nicht vorgesehen, aber im Rahmen ihrer Möglichkeit taten sie nun ihr Bestes. Sie (bzw. ihre Eltern) zeichneten „Kriegsanleihen“, beteiligten sich an zahlreichen Sammlungen, stopften Soldatensocken und stellten im Handarbeitsunterricht „Liebesgaben“ für die Frontkämpfer her. Im Rahmen einer „Kriegsbuchwoche“ vom 13. bis 19. Juni 1915 wurden für die Soldaten im Kriegseinsatz Bücher gespendet.

Schon befremdlicher war die Teilnahme an einer „Nagelung“ im Mai 1916, nämlich an der Einweihung eines „Kriegswahrzeichens“: In einer aus Brettern gezimmerten „Walhalla“ im Innenhof des alten Schlosses in Bayreuth wurde ein großes hölzernes „Helden-Schwert“ aufgestellt. Es sollte möglichst lückenlos mit Nägeln vollgehämmert werden. Der Erlös aus dem Verkauf der Nägel kam anschließend Kriegerwitwen und -waisen zugute.

„Nagelung“ des „Helden-Schwerts“ mit Lehrer Völk 1916

Auch allerlei Kriegsgerät wurde öffentlich ausgestellt und konnte von den Daheimgebliebenen begutachtet werden. So besuchten die Schülerinnen die „Kriegs-Luftfahrtausstellung“ im November 1917 in der Markgräflichen Reithalle, der späteren Stadthalle.

Auf der „Kriegs-Luftfahrtausstellung“ 1917

Während der Kriegsjahre wurden zudem zahlreiche, freilich etwas voreilige „Siegesfeiern“ mit Musik und Deklamationen abgehalten, offenbar um die allgemeine Kampfmoral zu stärken. Auf mehreren „Frühlingsfeiern“ wurde zusätzlich für die Kriegsfürsorge des Roten Kreuzes gesammelt. Diese Frühlingsfeiern ersetzten ab 1917 die üblichen Jahresschlussfeiern.

Programm einer „Schlußfeier“ im Kriegsjahr 1915

Perfide war jedoch der Aufruf zu einer Goldsammlung, der von Schulleiter Pauli unterzeichnet wurde und im Archiv der Schule aufbewahrt ist. Es handelte sich um das Schreiben „An die Schuljugend Deutschlands!“, in dem die Aktion „Sammelt Gold für die Reichsbank!“ proklamiert wurde. Um den „Sieg“ im Krieg zu sichern, sollte der „Kriegsschatz“, also der „Goldbestand der Reichsbank“, vergrößert werden. Das Problem war jedoch, dass aus verständlichen Gründen viele Eltern ihre Gold- und Silbertaler, die in Friedenszeiten als Zahlungsmittel gedient hatten, sorgfältig daheim verwahrten und partout nicht gegen das nun ausgegebene Papiergeld umtauschen wollten. (Des Endsieges so ganz sicher war man sich in diesen Jahren wie auch bei späterer Gelegenheit dann offenbar doch nicht.) Also sollten sich die Schülerinnen und Schüler aufmachen und daheim „inständigst und unaufhörlich“ ihre Eltern, Großeltern und Verwandten anflehen, um sie zum Umtausch der Münzen in die Geldscheine zu bewegen. Und sollte dieser Umtausch nicht so einfach möglich sein, so hätten die Schüler auch die Möglichkeit das Edelmetall gleich mit den Unterricht zu bringen und bei den Lehrern abzuliefern, die sich dann um das Weitere kümmern würden …

Aufruf zu einer „Goldsammlung“ bei den Eltern im Ersten Weltkrieg

Soviel selbstloser Einsatz blieb nicht ohne Anerkennung. Am 18. April 1918 wurde der Schule vom bayerischen König ein „Ehrendiplom mit der Allerhöchsten Anerkennung für verdienstvolle Kriegsarbeit in der Heimat“ überstellt.

Ehrenurkunde des bayerischen Königs 1918

Ab 1916 wurde jedoch der Mangel an Lebensmitteln spürbar, aber noch im Hungerwinter 1917 konnte der Ernähungszustand der meist privilegierten Schülerinnen als „durchaus gut“ bezeichnet werden. Aber die allgemeine Not nahm zu. 1917 musste dann in der Aula eine Brotausgabestelle eingerichtet werden, vor der sich die Menschen sammelten. So ging die „Große Zeit, die sich dann als so klein herausstellte“ (Karl Kraus), allmählich ihrem bitteren Ende entgegen.

Brotschlange vor der Aula 1917

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