Schulgeschichte

Die „weiblichen“ Fächer der Mädchenschule: Nähen, Sticken und ein wenig Kochen

Im Fach Handarbeiten angefertigter Wandteppich mit Frühlingsmotiven

Ein T-Shirt für einen Euro, eine Hose für zehn Euro, ein Paar Schuhe für zwanzig Euro: Eine (fragwürdige) internationale „Arbeitsteilung“ macht es heutzutage möglich, viele fleißige Kinderhände sind in den asiatischen und afrikanischen Herstellerländern am Werk, die Zeche für den Transport zahlt die Umwelt und findige Discounter wie Primark etc. streichen den Profit ein. „Shoppen“ kann so zu einem geradezu billigen Zeitvertreib werden, und die einmal angeschafften „Klamotten“ (sic) können leicht ersetzt werden.

Aber dass Kleidung jederzeit und billig verfügbar ist: Das war nicht immer so. Die Konfektionsware, also die massenhaft hergestellte und preiswerte Kleidung „von der Stange“, gibt es erst seit Mitte des letzten Jahrhunderts. Vorher war Bekleidung stets handgefertigt, die Herstellung war aufwändig und entsprechend teuer. Der „Wäscheschatz“ auch bei den höheren Schichten war meist überschaubar, einen ausgesprochenen Kleiderluxus konnten sich nur wenige leisten. Und die einmal gekauften Wäschestücke wollten gereinigt, gepflegt und ausgebessert werden.

Unter diesen Umständen kamen an der 1867 gegründeten Höheren Töchterschule den „weiblichen“ Unterrichtsfächern große Bedeutung zu. Sie waren „Hauptfächer“, für die anfangs bis zu sechs Wochenstunden reserviert wurden; erst im Laufe der Zeit verringte sich diese Anzahl allmählich. Für die Schülerinnen, die auf ihren „Beruf“ als Ehefrauen und Mütter vorbereitet wurden, waren Kenntnisse in einer standesgemäßen, aber auch bürgerlich-sparsamen Haushaltsführung unverzichtbar – und dazu gehörten auch Fertigkeiten in Flicken, Sticken und Nähen. Auch wenn der Gang zur Schneiderin und zum Schneider üblich war: Kleine Ausbesserungen oder Änderung wollte und musste man wohl selbst vornehmen. Und das Sticken und Häkeln war für die Damen der Gesellschaft ohnehin eine wichtige Unterhaltung, die gern auch in Gesellschaft ausgeführt wurde.

Wandteppich (Detailaufnahme)

Viele textile Werke, die nun in den „weiblichen“ Fächern an der Schule entstanden, können noch heute im Schulmuseum des Richard-Wagner-Gymnasiums bestaunt werden. Bewunderung ist hier wahrlich die angemessene Haltung, denn der Fleiß und die Akuratesse, die mitunter aufgewendet wurden, sind heute nicht mehr nachvollziehbar. (Freilich muss es bisweilen auch Kritik gegeben haben. Schon Jean Paul klagte 1806 in seiner Erziehungslehre, viele weibliche Handarbeiten seien bisweilen „einseitig“. Später schimpfte Direktor Kesselring, die Mädchen würden permanent mit ihren Handarbeiten herumsitzen.)

Ein Lehrplan von 1882 gibt exemplarisch Aufschluss über die Unterrichtsinhalte. Begonnen wurde in der ersten (5.) Klasse mit dem Stricken, hinzu kamen „Zwischenarbeiten“. In der zweiten Klasse wurde das Häkeln und das Sticken, auch im „Kreuzstich“, geübt. Die dritte Klasse widmete sich dem Weißnähen, speziell dem Nähen von Damenhemden. Die vierte Klasse vertiefte die Kenntnisse im Stricken, besonders dem von Strümpfen, und im „Filetsticken“. Die fünfte Klasse besorgte Arbeiten mit Leinwand und Damast.

Entsprechend hoch waren die Kenntnisse und die Fertigkeiten, die die „Arbeitslehrerinnen“ bzw. die Handarbeitslehrerinnen vorweisen mussten. Ein im Archiv erhaltenes „Prüfungszeugnis“ der kgl. Prüfungskommission in Straubing von 1876 gibt an, dass man für die „Unterrichtserteilung in weiblichen Handarbeiten an öffentlichen Unterrichtserziehungsanstalten in Niederbayern“ in 13 (!) Fertigkeiten geprüft und benotet wurde, darunter in Weißsticken, Straminsticken, Platt- und Perlsticken, Spitzenarbeiten, Zuschneiden und Nähen, Stricken, Ausbessern und Zeichnen.

Handgestickter Kragen im Schulmuseum, um 1897

An der Schule wurde vor allem an den „Mustertüchern“ geübt, da man offenbar nicht immer ein komplettes Kleidungsstück herstellen oder bearbeiten konnte; nur kleinere Wäschestücke wie Tücher und Deckchen sind noch zahlreich vorhanden. Aber auch sie wurden mit bisweilen enormen Aufwand bearbeitet. Das älteste Mustertuch stammt von 1883, an ihm wurde das Ausbessern, Stopfen und Einsäumen geübt. Auch das Anbringen von Zierstichen etc. wollte gelernt werden, um den damaligen bürgerlichen, bisweilen pompösen Geschmack entsprechen zu können.

Mustertuch („Flickentuch“) von 1899

Berühmt-berüchtigt wurde später das „Handarbeitsbuch“ bei der Handarbeitslehrerin Erna Fleischmann, die von 1947 bis 1979 an der Schule unterrichtete. In dieses monströse Buch, das jede Schülerin von Frau Fleischmann führen musste und an das sich viele noch heute erinnern (und gelegentlich noch zu Rate ziehen), wurden alle Arbeitsvorgänge mit Mustern und Beschreibungen eingetragen.

Persönliches Strickmuster-Leporello von Erna Fleischmann

Es versteht sich, das die Resultate dieses Unterrichts dann alljährlich an den Schulfesten und an den Tagen der offenen Tür ausgestellt wurden und Zeugnis von der Leistungsfähigkeit der Schule gerade auch auf diesem Gebiet gaben. Die Jahresberichte vermerken stets, wann die Eltern und Angehörigen die Werke der Schülerinnen bestaunen konnten. Einige spektakuläre Ausstellungsstücke wurden offenbar der Schule geschenkt oder blieben in Schulbesitz und können noch heute im Schulmuseum bewundert werden.

Kleid in Hardanger-Sticktechnik, entstanden in den dreißiger Jahren

Hardanger-Kleid (Detailaufnahme)

Hardanger-Kleid (Detailaufnahme)

Noch einige Jahre nach 1945 war das Handarbeiten Pflichtfach, aber dann verschwand es allmählich aus dem Lehrplan. Daran änderte auch die 1965 erfolgte Einführung des sozialwissenschaftlichen Schulzweigs für Mädchen nichts, mit denen man den „besonderen Erfordernissen“ der Mädchenbildung gerecht werden wollte: Auch dieser Zweig war von Anfang an gymnasial-wissenschaftlich konzipiert. Zudem wurde nun für die alten „Handarbeiten“ die Bezeichnung „Textiles Gestalten“ eingeführt. Im Altbau wurde ein Raum mit Nähmaschinen ausgerüstet, an denen noch lange Zeit geübt wurde und noch heute wird: Die Schülerinnen (und Schüler) können heute in der 7. Jahrgangsstufe an Stelle von Kunst auch das Fach Textilarbeit/Werken wählen. Heutzutage steht allerdings der kreative Umgang mit den Textilien im Mittelpunkt, der nutzungsbezogene Umgang mit den Kleidungs- und Wäschestücken ist nachrangig.

Und noch ein altes (Vor-)Urteil über die Schule muss revidiert werden. Entgegen der volkstümlichen Auffassung vieler Bayreuther hatte der Kochunterricht an der Schule meist nur eine nachgeordnete Bedeutung. Vor 1914 ist nur eine Aufnahme im Archiv erhalten, die die Schülerinnen bei einem „Kochkurs“ zeigt. Eine eigene Lehr- und Schulküche bestand zu dieser Zeit nicht, vermutlich fand der Kurs in einer Gastwirtschaft statt. „Kochen“ war nie ein besonderes Unterrichtsfach, es sollte wohl auch nicht die spätere Hauptbeschäftigung der ganz höheren Töchter sein, denn dafür gab es Dienstpersonal. Nur in der Zeit der Weimarer Republik, als die Schule von 1926 bis 1930 zu einer „Höheren Mädchenschule (neuerer Ordnung)“ umfunktioniert wurde, gab es offenbar genauere Unterweisungen in den Kochkünsten. 1980 wurde im Untergeschoss des Neubaus eine neue moderne Schulküche eingebaut, die bis heute in Betrieb ist und für Kochkurse genutzt wird. Und diese Kurse sind zwar nicht unterrichtsrelevant, aber sie geben eine Einweisung in moderne Ernährungsgrundsätze und sind daher beliebt und stets gut besucht. Und die Emanzipation des Mannes schreitet voran: Auch die Jungen schwingen nun gerne den Kochlöffel!

Kochkurs im Jahr 1912

AG Koch-Workshop heute mit Schülerinnen und Schülern aus der 6. bis 9. Jahrgangsstufe

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